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ICH HABE RÜCKENSCHMERZEN:

veröffentlicht am 09.02.2020

 

So ziemlich jeder Kraftsportler rechnet beinahe schon damit, sich früher oder später Rückenschmerzen zuzuziehen. Es gibt nur wenige Athleten, die nicht darüber klagen und deren Leistung dadurch nicht negativ beeinflusst worden ist. Manche ziehen es vor, das Problem zu ignorieren und es stoisch zu ertragen, während andere beschließen, schmerzhafte Bewegungen zu vermeiden. Beide Varianten sind nicht sinnvoll, weil sie weder zu einer Linderung der Schmerzen führen noch diesen in Zukunft vorbeugen.

Als Physiotherapeut habe ich schon Hunderte Rückenpatienten behandelt. Darunter waren Leistungssportler und Jugendliche, Freizeitsportler, Bauarbeiter und Büroangestellte. Oft konnte der Patient genau sagen, wie er einen Gegenstand hob oder sich auf eine bestimmte Weise bewegte, als ihm plötzlich der Schmerz durch die Glieder fuhr. Dann gibt es noch andere Momente, in denen der Patient bei bestimmten Bewegungen wie Vorwärtsbeugen, Hochheben, Laufen oder Gehen mit der Zeit immer stärkere Schmerzen bekam. Der Schmerz kann sich so weit verschärfen, dass er sich selbst dann bemerkbar macht, wenn man körperlich inaktiv ist.

Auffällig ist, dass die Patienten den Beginn der Schmerzen auf eine bestimmte Bewegung zurückführen können, egal auf welchem Leistungsniveau sie sind oder welche Sportart sie betreiben. Die typische Reaktion ist, diese Bewegung zu vermeiden, um sich weiteres Unbehagen zu ersparen. Das ist ein völlig normales Verhalten, und es gibt Augenblicke, in denen das auch die angemessene Reaktion ist (in diesem Artikel nicht erwähnt), aber bei einem mechanischen Schmerz, der sich im unteren Rücken bemerkbar macht, hat die Forschung gezeigt, dass genau das Gegenteil angebracht ist. Weil die Vermeidung der Bewegung Linderung verschafft, wird dies zu einer Gewohnheit, wodurch sich die Biomechanik der Wirbelsäule und Rumpfmuskulatur verändert. Und so verschlimmert sich das Problem; atypische Bewegungsmuster werden verstärkt, wodurch die Kraft abnimmt und die Unbeweglichkeit zunimmt, und es entsteht ein Teufelskreis.

Das Gehirn wird darauf gepolt, die Bewegung mit Schmerz in Verbindung zu bringen, die Bewegungslosigkeit hingegen mit Linderung. Wenn die Bewegungsfähigkeit der einzelnen Wirbel aufgrund einer anormalen Zugbewegung oder unangemessenen Stabilisation der umliegenden Muskulatur dysfunktional wird, schafft dies ein atypisches Bewegungsmuster, das als Schmerz wahrgenommen wird. Jedes Gelenk hat Nervenenden, die propriozeptive Informationen ans Gehirn weiterleiten, wenn also die anormale Bewegung entsteht, erhält das Gehirn die Information, dass etwas „nicht stimmt“, und dann setzt es alles daran, den Körper zu schützen.

Wie lässt sich das nun auf Kraftsport und Krafttraining übertragen?

Betrachten wir einmal den Deadlift, eine Übung, auf die wegen unterer Rückenschmerzen oft verzichtet wird. Die lumbalen Rückenstrecker sind dabei sehr aktiv; sie arbeiten, um den unteren Rücken gestreckt zu halten, wodurch der Athlet wiederum seinen Brustkorb aufrecht hält und die Hantel nach hinten zieht. Wenn die Rückenstrecker überlastet sind, liegt das meist an einer fehlenden Koordination der Bauch-, Gesäß- und unteren Rückenmuskeln, und das Unbehagen wird spürbar, wenn die Wirbelsäulenbewegung anormal wird. Der Kraftsportler nimmt automatisch an, dass der Schmerz gefährlich ist, und hört mit dem Deadlift auf. Der Schmerz kann sich eine Zeitlang in Grenzen halten, aber sagen wir, dass er nach einer Woche Pause wieder mit Squats anfängt. Der Squat beansprucht die lumbalen Rückenstrecker ebenfalls enorm, und die Rückenextension ist notwendig, um die Bewegung erfolgreich abzuschließen. Der Kraftsportler denkt in diesem Fall vielleicht, dass er die Extension vermeiden muss, aber die Lendenwirbelsäule hat „gelernt“, dass eine Extension gefährlich ist und daher vermieden werden muss, und deshalb fängt der Squat ebenfalls an, Schmerzen zu bereiten. Schon bald hört der Athlet auch mit dieser Übung auf. Er trainiert seinen Unterkörper dann nur noch mit Bewegungen, bei denen sich die Lendenwirbelsäule unauffällig verhält.

Sich durch den Schmerz „zu kämpfen“ ist immer noch besser, als die Bewegungen gänzlich zu vermeiden, die Unbehagen auslösen, aber dieser Ansatz hat auch einige Nachteile. Werfen wir wieder einen Blick auf den Deadlift. Unser Athlet hat beschlossen, seine Rückenschmerzen zu ignorieren und schließt die Bewegung ab, die allerdings sehr gequält aussieht. Das Gehirn hat gelernt, dass Extension gefährlich ist und setzt deshalb alles daran, diese Bewegung zu verhindern. Der Athlet findet einen Weg, die Hantel vom Boden zu heben, macht dabei aber seinen Rücken rund. In dieser Position können die Bauchmuskeln nicht arbeiten, um die Lendenwirbelsäule zu stabilisieren, deshalb wird die Bewegung sogar noch dysfunktionaler als zuvor. Das Gehirn versucht, den Körper vor einer weiteren Verletzung zu schützen, indem er den Muskeln verbietet, eine entsprechende Bewegung zuzulassen. Er beißt sich also durch, hat aber trotzdem die Weichen für ernste Verletzungen und schwache Leistungen gestellt. Er ist erst dann wieder in der Lage, die Übung korrekt auszuführen, wenn sich die Bewegung normalisiert.

Was tun wir also in dieser scheinbar ausweglosen Situation? Wir müssen zuerst identifizieren, was die Rückenschmerzen überhaupt auslöst. Das Problem ist in der Regel auf eine zu hohe Aktivität der Hüftflexoren und Rückenstrecker zurückzuführen und auf eine mangelnde Stützfunktion durch Bauch- und Gesäßmuskeln. Überarbeitete Muskeln verspannen sich, was an sich schmerzhaft ist, aber auch die Bewegungsfähigkeit der Gelenke, mit denen sie verbunden sind, verändert sich. Also muss der Athlet nicht nur die wahrnehmbaren Muskelschmerzen überwinden, sondern auch seine mangelnde Koordination. Es ist schon einmal ein guter Anfang, den verspannten Muskel zu behandeln – durch Myofascial Release mithilfe einer Hartschaumrolle, eines Tennisballs oder Massage; es handelt sich hierbei aber immer nur um Schadensbegrenzung. Das Problem kehrt immer wieder zurück, bis die Ursache beseitigt ist.

Beim Deadlift ist ein runder Rücken oft ein Zeichen für Schwäche und eine mangelnde Koordination der Gesäßmuskeln und der ischiocruralen Muskulatur. Diese arbeiten zusammen, um die Hüften zu strecken und das Becken zu stabilisieren; sonst haben die lumbalen Rückenstrecker keine solide Basis und können den unteren Rücken nicht vollständig strecken. Sie versuchen es zwar, können aber nicht genügend Kraft erzeugen. Ab einem gewissen Punkt fängt der Muskel an, sich selbst durch Hemmung zu schützen – wenn zu viel Spannung erzeugt wird, wird die Muskelentspannung erzwungen, was Zerrungen und Triggerpunkte verursachen kann.

Um dieses Problem zu beheben, ist es notwendig, die ischiocrurale Muskulatur und die Gesäßmuskeln zu kräftigen. Wichtig ist, dass die Übungen in den richtigen Muskeln gespürt werden müssen; wenn Schmerzen im unteren Rücken entstehen oder der Kraftsportler das Gefühl hat, dass ein Großteil der Arbeit von den lumbalen Rückenstreckern verrichtet wird, müssen die Form und vielleicht auch die Übungswahl verändert werden. Ein guter Anfang ist es schon einmal, einen elementaren „Glute Set“ zu lernen, damit der Athlet weiß, was er eigentlich zu erreichen versucht. Dabei spannt er seine beiden Gesäßhälften an. Wenn er hierzu in der Lage ist, kann er diese Anspannung in die Bewegungen integrieren, die eine Hüftextension erfordern, und dabei fängt er mit Übungen an, die normalerweise der „Movement Prep“ zugeordnet werden, also Supermans, Birddogs und Good Mornings oder Reverse Hypers ohne Zusatzgewicht. Sobald die korrekte Koordination hergestellt ist, können die Bewegungen durch eine Zusatzlast erschwert werden, und dabei fängt man idealerweise mit Widerstandsbändern oder leichten Hanteln an. Wenn der Athlet mit moderat schweren Hanteln zurechtkommt und sich dabei auf die Hüftextension konzentriert, kann er wieder mit dem Deadlift weitermachen und das Hantelgewicht erhöhen, sofern dies keine Probleme bereitet. Er muss sich dabei mindestens einen Monat lang auf eine saubere Ausführung konzentrieren, bevor er das Hantelgewicht signifikant erhöhen darf. Es ist entscheidend, dabei durchgehend sein Core-Training aufrechtzuerhalten – die lumbalen Rückenstrecker, Hüftbeuger und geraden Bauchmuskeln arbeiten zusammen, um während der Extension der Hüften und der Lendenwirbelsäule den Rumpf zu stabilisieren. Wenn die Core-Kraft vernachlässigt wird, kehren die Rückenschmerzen früher oder später zurück.

Sobald die korrekte motorische Koordination hergestellt worden ist, verschwinden die Rückenschmerzen oft oder nehmen zumindest deutlich ab. Wer seine Rückenschmerzen loswerden will, sollte auf eine korrekte Ausführung der Übungen achten und nicht versuchen, sie zu vermeiden oder seinen Körper durch falsche Bewegungsmuster zur Anpassung zu zwingen. Korrekte Bewegungen führen langfristig zur Gesundheit bzw. Gesundung des Bewegungsapparats und sorgen dafür, dass der Kraftsportler noch lange mit Freude trainieren und Wettkämpfe bestreiten kann.

Quelle: Functional Training Magazin Autor: Claire Kopko

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